Kaider holt Vize-Weltmeistertitel
Nach 159 Stunden im Sattel überquerte der Niederösterreicher Philipp Kaider heute um kurz nach 6 Uhr morgens die Ziellinie bei der Ultracycling-WM im Rahmen des Race Around Poland. Widrigste Wetterbedingungen, ein ständiges mentales Auf und Ab und das beinahe Aus kurz nach der Hälfte der 3600km konnte Kaider nicht davon abhalten, das Rennen zu beenden. Foto: © RAP/DamianPazikowski
Die größte sportliche Herausforderung
Vorigen Samstag um 14:40 Uhr startete Kaider mit seinen Betreuern von Warschau aus in sein bisher längstes Abenteuer. 3600km mit über 30.000 Höhenmeter galt es zu absolvieren. Und es lief wie am Schnürchen. Von Beginn machte der amtierende österreichische Meister auf der Ultradistanz Druck und holte auf seine Konkurrenten einen guten Vorsprung heraus, den er auch über die bergigen Passagen an der polnisch/slowakischen Grenze halten konnte. Gut getimte Schlafpausen und ein perfekt zusammengespieltes Team ließen die Titelchancen von Kilometer zu Kilometer steigen.
Als Halbzeitführender ging es danach auf den flachen Teil der Strecke. Ein Teil, der dem der 24h-Zeitfahr-Weltmeister von 2022 liegt. Nach einer längeren Schlafpause bei der sein größter Mitstreiter, der Deutsche Rainer Steinberger an ihm vorbeizog, kam dann der große Schock: Durch eine kurze Unachtsamkeit kollidierte das Betreuerauto mit Kaider, der vom Rad flog und sich kleinere Schürfwunden dabei zuzog. Das weitaus größere Problem aber das benötigte Betreuerauto, welches dabei im Straßengraben zu erliegen kam und sich keinen Meter mehr bewegte. Der absolute Tiefpunkt! „Wie ich da auf der Straße gelegen bin, das war schon ein großer Schock. Wir wussten danach nicht, ob der Rahmen des Rades kaputt ist oder nicht und ob das Auto ganz ist. Wenn der Pannendienst das Auto aber in Gang bringt, dann war klar, dass wir das Rennen zu Ende fahren. Um nichts sonst ist es mir in diesem Moment gegangen. Wir machen das und wir probieren es. Aufgeben können wir immer noch sagten wir uns“, so Kaider über den womöglich rennentscheidenden Zwischenfall.
Die Aufholjagd beginnt
Nach knapp fünf Stunden Zwangspause, bei der auch der Drittplatzierte Ralph Diseviscourt an Kaider vorbeizog, kam dann die Entwarnung: Das Auto funktionierte und das Rennen ging weiter. Auch wenn Steinberger schon sprichwörtlich über alle Berge war - Kaider holte Kilometer für Kilometer auf. „Ich habe dann zuerst den Ralph zurücküberholt und bin dem Rainer immer nähergekommen. Ich war schon auf 75km dran und hätte noch knapp zwei Tage Zeit gehabt. Leider hat mein letzter Angriff aber nicht funktioniert und dann hat sich die Patellasehne zudem entzündet.
Nichts desto trotz kämpfte der Intensivkrankenpfleger des Krankenhauses Mistelbach mit seinem Team um jeden Kilometer und gegen widrigste Bedingungen. War es zu Beginn des Rennens brütend heiß, kamen im Laufe des Rennens immer wieder heftige Gewitter mit starken Regenfällen auf. Kaider ließ sich aber nicht beirren und strampelte dem Ziel entgegen. „Die letzten 400km waren aber die größte Herausforderung. Ich war noch nie so am Sand. Ich habe voll reingetreten und keinen Druck auf das Pedal gebracht. Ich war voll verzweifelt. Es tut einem eh alles weh und man ist müde. Dann hab ich mir aber gedacht, es wird sicher wieder besser werden. Tja und das wurde es auch, wenn auch erst heute in der Früh“, lacht der Niederösterreicher, der dann nochmals Spitzen bis zu 400 Watt treten konnte.
Um 06:09 Uhr erreichte der Rekordhalter durch Österreich nach 159h 29min 42sec wieder Warschau und holt sich damit den Vize-Weltmeistertitel. „Der 2. Platz ist viel wert. Ich war stark und konnte meine Leistung voll langen durchhalten. So, wie ich das jetzt mache, hat das extrem gut hingehauen. Schade ist, dass ich den Rainer nicht mehr einholen konnte, aber das ist letztendlich egal. Ich habe meine Leistung und die Teamleistung gesehen und das gilt es zu bewerten. Ich bin auf alle so stolz, wie wir hier zusammengearbeitet haben“, freut sich Kaider im Ziel und fügt an: „Mental bin ich bereit, für was auch immer kommt!“
Die 3600km ist der Niederösterreicher für Bines Radlchallenge gefahren, die in Geld umgewandelt werden und dem Charityprojekt "Sonne-International" und damit Straßenkindern in Myanmar zugutekommen.
Website Race Around Poland: https://racearoundpoland.pl/
Über Philipp Kaider
Was in Wolkersdorf, im niederösterreichischen Weinviertel, 2012 als belangloses Hobby begann, steigerte sich im Kontext einer Kilometer-/Leistungskurve auf 30.000 Radkilometer im Jahr 2017. Die besten Voraussetzungen für einen erfolgreichen Ultracycler, wie man an seiner Leistungsbilanz erkennen kann. Der ehrgeizige, mental starke und zielorientierte 38-Jährige hat die notwendige Siegermentalität und getreu seinem Motto: „Grenzen entstehen nur im Kopf“ hat er bereits mit tollen Erfolgen aufzeigen können. Der 24h-Zeitfahr-Weltmeister von 2022 ist Sieger des Race Around Austrias, des Race Around Niederösterreichs und konnte im Juni 2023 Österreich in einer Rekordzeit von nur exakt 19 Stunden durchqueren, was ihm auch einen Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde brachte. 2024 holte er den Österreichischen Meistertitel bei seinem Heimrennen, dem Race Around Niederösterreich